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January 11, 2010

 

 

 

 

Das ist die wahre Revolution

 

 

Interview with

Abdulkarim Soroush

 

Eine pluralistische Bewegung wie die iranische brauche ein gemeinsames Programm, meint der Religionsphilosoph Abdolkarim Soroush, der schon dabei war, als der Schah gestürzt wurde


Fünf führende Köpfe der iranischen Reform- und Protestbewegung haben ein Manifest formuliert (siehe Dokumentation), in dem sie unter anderem den Rücktritt von Präsident Ahmadinedschad und das Ende der klerikalen Kontrolle des Wahlsystems und der Kandidatenauswahl fordern. Alle fünf Männer leben außerhalb des Iran: der Geistliche Mohsen Kadivar, der frühere Parlamentsabgeordnete und Minister Ayatollah Mohajerani, Journalist Akbar Ganji, Abdolali Bazargan, Sohn eines früheren Premiers, und Abdolkarim Soroush, Religionsphilosoph und Autor.

Das Interview mit Letzterem führte Robin Wright, ein früherer diplomatischer Korrespondent der "Washington Post", der drei Bücher über den Iran schrieb und nun am "Institute for Peace" in Washington arbeitet.

Die WELT: Warum haben Sie sich jetzt zur Veröffentlichung eines Manifests entschieden?

Abdolkarim Soroush: Die Grünen-Bewegung ist nun sieben Monate alt, und ich und meine Freunde haben die Ereignisse sehr genau verfolgt und in Kontakt mit einigen unserer Freunde im Iran gestanden. Nach (den Protesten an) Ashura, dem 27. Dezember, sind wir zu der Einsicht gekommen, dass ein echter Wendepunkt erreicht war. Zu diesem Zeitpunkt hat das Regime entschieden, die Grünen-Bewegung zu zerschlagen. In einem Fall hat das Regime einen Demonstranten überrollt und getötet. Das war die sehr ernste Botschaft an alle Demonstranten und Verteidiger und Unterstützer der Grünen-Bewegung, dass das Regime die Bewegung brutal zerschlagen will.

Abdolkarim Soroush: Auf der anderen Seite sind wir persönlich immer wieder von Freunden gefragt worden: Was fordert die Grünen-Bewegung wirklich, denn zu dieser Bewegung ist es unvermittelt gekommen. Sie wurde nicht geplant. Sie begann mit der Wahl und entwickelte sich immer weiter. Und während sie sich entwickelte, tauchten Forderungen auf, aber es gab keine Signale, was die Anführer der Bewegung im Sinn hatten. Wir fünf stehen diesen Anführern - Mir Hussein Mussawi, Mehdi Karrubi und Mohammed Chatami - nah genug und kennen ihre Forderungen - also haben wir beschlossen, ein Manifest oder eine Erklärung der Grünen-Bewegung zu verfassen.

Die WELT: Wessen Ansichten spiegelt das Manifest wider - allein die des Führungszirkels oder auch die der breiteren Anhängerschaft?

Soroush: Es handelt sich um eine pluralistische Bewegung, zu der Gläubige und Nichtgläubige, Sozialisten und Liberale zählen. In der Grünen-Bewegung sind alle Gesellschaftsschichten vertreten. Wir haben versucht, das ihnen Gemeinsame festzuhalten. Wir wissen, dass es noch viele weitere Forderungen gibt, viel mehr als diese. Vielleicht werden sie in einem nächsten Schritt eine Verfassungsänderung fordern. Für den Augenblick jedoch möchten sie im Rahmen der Verfassung arbeiten, und wir haben sorgfältig darauf geachtet, diese Grenzen nicht zu überschreiten. Einer der Vorschläge, die wir gemacht haben, ist in dieser Hinsicht grenzwertig, nämlich den Obersten Richter zu wählen, statt ihn vom Revolutionsführer ernennen zu lassen. Dieser Vorschlag stammt von mir - wenn es Verfassungsänderungen gibt, müssen wir den Obersten Richter in Zukunft wählen. Die meisten Punkte jedoch spiegeln wider, was der Führungszirkel im Sinn hat.

Die WELT: Welchen Unterschied wird das Manifest machen?

Soroush: Es wird die Ziele und Absichten verdeutlichen, besser definieren und artikulieren. In diesem Stadium brauchen wir das. Ich sage seit Jahren, dass die Revolution theorielos war. Es war eine Revolution gegen den Schah - keine positive, sondern eine negative Theorie. Ich habe darauf bestanden, dass, so es zu einer neuen Bewegung kommt, diese eine Theorie haben muss. Die Menschen sollten wissen, was sie wollen, nicht nur, was sie nicht wollen. Deshalb versuchen wir - in bescheidenem Umfang -, eine Theorie für diese Bewegung auf den Weg zu bringen.

Die WELT: Wie geht es mit der Grünen-Bewegung weiter?

Soroush: Niemand weiß das. Es gibt allerlei Aufrufe, die Anführer der Grünen-Bewegung sollten sich dem Obersten Führer beugen, aber das wird nicht geschehen. Beide Seiten müssen auf echte Verhandlungen gefasst sein. Das könnte die nächste Stufe sein. (Der ehemalige Staatspräsident) Akbar Haschemi Rafsandschani könnte einspringen, um mit Verhandlungen zur nationalen Versöhnung zu beginnen.

Die WELT: Kann das Regime den Protest dauerhaft zerschlagen?

Soroush: Das glaube ich nicht. Die Reformbewegung ist ein Produkt der unterdrückten Meinungen. Ahmadinedschad hat sein Bestes getan, alle Reformbewegungen zu unterdrücken und eine neue Ära zu beginnen. Doch das Regime konnte den Brand nicht löschen. Jetzt gibt es die Grünen-Bewegung, sie ist die Kulmination der Reformbewegung, eine neue Stufe. Ich hoffe, dass die Regierung einsieht, dass sie in Verhandlungen mit der Grünen-Bewegung eintreten muss und Opfer bringen, damit diese Verhandlungen produktiv sind. Der Himmel schütze uns vor einem Ausbruch von Gewalt, die der Grünen-Bewegung und dem Land schaden würde.

Die WELT: Würde ein Kompromiss die neue Reformergeneration zufriedenstellen?

Soroush: Kompromiss ist negativ konnotiert. Aber wird auch nur eine unserer Forderungen erfüllt - Pressefreiheit zum Beispiel -, würde das reichen, um die politische Lage und Atmosphäre im Land dramatisch zu verändern. Wenn sie nur einer dieser zehn Forderungen nachgäben - und dem Rest nicht -, würde das das ganze Land revolutionieren. Vielleicht die Freilassung der Gefangenen; so viele kompetente Menschen sind im Gefängnis. Ein jeder von ihnen würde die Stimmung revolutionieren.

 



 

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